Wie tief bei der Kniebeuge? Sportarzt Dr. Kurt Moosburger klärt auf
Im zarten alter von nur 13 Jahren habe ich mit dem Krafttraining begonnen. Damals wollte ich ein „großer“ werden und habe mich natürlich direkt in den Kniebeugen-Ständer begeben.
Das Geschrei der Anwesenden und Trainer war groß. Man prophezeite mir bald Knieprobleme. Erst Recht als ich damit begann richtig tief bei den Kniebeugen zu gehen.
Glücklicherweise habe ich heute, über 15 Jahren später, keinerlei Knieprobleme.
Da ich oft Fragen zu Kniebeugen erhalte, möchte ich dir diesen Artikel vorstellen. Der Sportarzt Dr. Moosburger hat ihn mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Er klärt die Fragen:
- Wie tief bei der Kniebeuge?
- Sind Kniebeugen schädlich für die Knie?
Der Originaltitel des Artikels lautet: Ist die tiefe Kniebeuge wirklich „schlecht für´s Knie?
Wie tief bei der Kniebeuge?
Die Kniebeuge gilt als „Königsübung“ des Krafttrainings, und das zurecht. Mit dieser komplexen Grundübung werden alle Muskeln gekräftigt, die den Menschen zum Homo erectus machen und für seine Statik beim Stehen und Gehen verantwortlich sind.
Da ein effizientes Krafttraining nicht nur, wie es im Bodybuilding der Fall ist, Muskeln, sondern Bewegungen trainiert, ist es verständlich, dass es dafür nicht nur einen einzigen Muskel, sondern mehrere Muskeln braucht, die an einer Bewegung beteiligt sind. Man nennt das „Muskelkette“ oder „Muskelschlinge“.
Im Falle der Kniebeuge besteht sie aus
- dem Oberschenkelstrecker (aber auch -beuger),
- dem großen Gesäßmuskel (Musculus glutaeus maximus),
- der als Hüftstrecker wirkt, sowie
- dem Rückenstrecker (Musculus erector spinae = autochthone Rückenmuskulatur).
Immer wieder hört und liest man, dass man die Kniebeuge nur bis zu einem rechten Winkel im Kniegelenk machen dürfe und auf keinen Fall tiefer, weil das „schlecht“ für’s Kniegelenk sei.
Die meisten Trainer, Mediziner und Sportwissenschaftler weisen immer wieder darauf hin. Aber stimmt das auch? Tut es nicht! Dagegen spricht nicht nur die Empirie im Kraftsport (Gewichtheben, Powerlifting), sondern auch die Biomechanik.
Das Gegenteil ist der Fall:
Die 90°-Kniebeuge ist für das Kniegelenk belastender als die tiefe Kniebeuge, sprich der klassische „Squat“.
Wenn die Beugung bei einem Kniewinkel von 90° abgebremst wird, wirken höhere Scherkräfte auf das Gelenk als bei einer Fortsetzung der Bewegung in die „Hocke“.
[Anmerkung: Wobei die tiefe Kniebeuge keine eigentliche Hocke ist, da ja in diesem Fall durch Anspannen der autochthonen Rückenmuskulatur (Musculus erector spinae, „Rückenstrecker“) der Rücken bewusst lordosiert und damit wie ein Bogen gespannt wird.Außerdem wird das Gesäß nicht nur nach unten, sondern auch nach hinten bewegt und damit der Druck auf das Kniegelenk verringert.
Ansonsten ist zu sagen, dass ein „Hinhocken“ eine ganz natürliche Bewegung ist (siehe Kinder oder Naturvölker wie z.b. Indonesier, die oft stundenlang irgendwo hocken), die dem (nicht vorgeschädigten) Kniegelenk nicht schadet.
Beim rechten Winkel im Kniegelenk, also beim rechten Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel, hat der Lasthebel (Oberschenkel) mit dem Widerstand (Körpergewicht plus Hantelgewicht) den größten Abstand zum Drehpunkt (Kniegelenk) und dadurch das größte Drehmoment. In dieser Position besteht die größte Kniebelastung, v.a. beim Strecken des Beins aus dieser Position heraus, sprich bei der Aufwärtsbewegung (also beim Aufrichten).
Wenn man aber von einer tieferen Position heraus drückt, wird der „kritische“ 90°-Winkel quasi „im Vorbeigehen“ passiert, und damit das Kniegelenk, sprich in erster Linie der Gelenksknorpel, aber auch die Menisci und das vordere Kreuzband, weniger druck- bzw. zugbelastet.
Darauf ist auch bei den sog. Box-squats (eine Box wird als Anhaltspunkt/tiefster Punkt bei der Kniebeugen genutzt) zu achten – man darf also nicht den Fehler machen, eine zu hohe Box oder Bank zu wählen, die nur eine 90°-Beugung ermöglicht. Wenn bei rechtwinkeligem Kniegelenk aus dem „oberschenkelentspannten“ Sitzen heraus gedrückt wird, kommt es zu einer kurzen, aber hohen initialen Kniebelastung.
Dass zudem die Belastung des Kniegelenks relativ gering gehalten werden kann, wenn man die Unterschenkel während der gesamten Bewegungsausführung möglichst senkrecht stehen lässt, also die Knie nie über die Fußspitze ragen, indem man bei der Abwärtsbewegung mit dem Gesäß nicht nur nach unten, sondern auch bewusst möglichst weit nach hinten geht, ist ein weiterer wichtiger Aspekt.
Die beste Methode, die tiefe Kniebeuge zu erlernen, ist die „Boxbeuge“ (box squat).
Dabei setzt man sich auf eine Kiste oder flache Bank, indem man das Gesäß bewusst so weit nach hinten führt, dass die Unterschenkel senkrecht stehen bleiben. Während die Bogenspannung im Rücken immer aufrecht erhalten wird, baut man nach dem Hinsetzen die Muskelspannung in Gesäß und Oberschenkel neu auf und steht möglichst explosiv auf.
Punkte, die bei der Ausführung der Kniebeuge zu beachten sind:
- Stand etwas mehr als schulterbreit
- der Körperschwerpunkt ruht auf der ganzen Fußsohle (nie auf dem Vorfuß, eher sogar mehr auf der Ferse)
- „Knickfuß“ (Pronation) vermeiden
- die Fußspitzen zeigen in die gleiche Richtung wie die Knie
- der Blick ist geradeaus gerichtet
- die Hantelstange liegt nicht auf dem 7. Halswirbel, sondern darunter auf dem Trapezius (Kapuzenmuskel)
- LWS-Lordosierung (ein „Hohlkreuz“ ist hier erwünscht „Stockerlpopo“)
- ganzer Rücken immer in „Bogenspannung“, auch der Bauch wird angespannt
- die Abwärtsbewegung wird mit dem Gesäß (nicht mit dem Kopf!) eingeleitet, das nicht nur nach unten, sondern auch bewusst nach hinten (!) geführt wird
- die Unterschenkel bleiben damit so senkrecht wie möglich (die Knie sollen nie über die Fußspitzen ragen)
- die Knie werden bewusst nach außen gedrückt (sie bleiben immer über den Füßen, Valgusstellung = „X-Beine“ vermeiden)
- die Beugung erfolgt so weit, bis das Hüftgelenk etwas tiefer als das Kniegelenk ist (Oberschenkel sollen zumindest horizontal sein)
- die Neigung des Oberkörpers (je nach Widerstand = Hantelgewicht) stabilisiert den Körperschwerpunkt (verhindert ein „Umkippen“ nach hinten)
- die Aufwärtsbewegung wird mit dem Kopf (nicht mit dem Gesäß!) nach oben eingeleitet
So führt man die Kniebeuge aus:
Du siehst mich in diesem Video, wie tief ich bei der Kniebeuge gehe.
Teu, teu, teu, glücklicherweise habe ich keinerlei Beschwerden in den Knien, obwohl ich mit bis zu 200kg Kniebeugen absolviert habe.
Ich verdanke das mit Sicherheit der richtigen Ausführung.
Kniebeugen sind nicht schädlich für die Knie. Ganz im Gegenteil. Durch den Aufbau schützender und stützender Oberschenkelmuskeln vermeidet man Verletzungen oder gar Beschwerden.
Viel Erfolg
Gruß
Thomas
Quelle:
- Dr. Kurt A. Moosburger, im Oktober 2005 (aktualisiert Juni 2008)
1 Tipp gegen Bauchfett
Ich hatte Bauchfett, bis ich diesen einmaligen Tipp entdeckte
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