Interview mit Dr. Dr. Jürgen Gießing – Experte für Hochintensitätstraining

Das Buch zum HIT
Die Diskussion welches Training nun besser sei, Volumentraining oder HIT, kommt immer wieder auf.
Dr. Dr. Jürgen Gießing ist Profressor am Lehrstuhl der Universität Koblenz/Landau am Institut für Sportwissenschaft und Autor des Buches „HIT – Hochintensitätstraining: Das optimierte System für rapiden Muskelaufbau„. (Ein Buch, dass ich jedem an Herz legen kann, der mehr aus seinem Training herausholen möchte.) Ein Experte für hochintensives Training.
Herr Gießing war so freundlich und stellte sich unseren Fragen. Der wissenschaftliche Hintergrund garantiert, dass Trainingsmythen aufgedeckt werden und zeigt, wie effektives Muskelaufbautraining wirklich aussieht.
Ich freue mich dir dieses Interview hier vorzustellen:
1.Weshalb hat sich HIT nie gegen das Volumentraining durchgesetzt, wenn es besser ist?
Ob es die bessere Methode ist, muss jeder für sich selbst beantworten. Es ist auf jeden Fall die effizientere Methode, wenn man das Verhältnis von Zeitaufwand und Muskelzuwachs betrachtet. Wenn jemand aber nicht gerne intensiv trainiert, kann man ihm nicht vorschreiben, dass HIT für ihn die bessere Methode ist. Es gibt Leute, die haben sehr viel Zeit und kommen mit niedriger Intensität und hohen Umfängen besser zu recht. Für Leute, die wenig Zeit und keine Probleme mit hoher Intensität haben, ist das HIT aber sehr zu empfehlen.
Dass HIT sich nicht durchgesetzt hat, mag daran liegen, dass die führenden Protagonisten des Bodybuilding wie Schwarzenegger überwiegend Volumentraining durchgeführt haben. An diesem Vorbild haben sich viele Leute orientiert – vielleicht auch zu Recht, denn Schwarzenegger hat damit sagenhafte Erfolge erzielt.
Dennoch sage ich, dass HIT für viele Sportler eine gute Alternative ist, und sie sollten es auf jeden Fall einmal ausprobieren. Das gilt vor allem für die, die effektiv trainieren und sauber bleiben wollen. Denn man muss man natürlich bedenken, dass jemand, der sechs Mal in der Woche ein Volumentraining durchführt, jede Menge Supplemente braucht, um das durchzustehen – und vielleicht nicht nur das.
Sowohl Arnold Schwarzenegger im Volumentraining als auch Mike Mentzer haben Anabolika genommen. Stellt das nicht die Effektivität ihrer Trainingsmethoden in Frage?
Ja. Und vor allem bekommt man eine völlig falsche Vorstellung davon, was man in bestimmter Zeit an Kraft- und Muskelzuwachs erreichen kann. Was man in den Zeitschriften liest und teilweise bei Bodybuildern sieht, dass innerhalb eines Jahres Unmengen an Muskelmasse gewonnen wurde, ist – bei cleanem Training – völlig illusorisch.
Deshalb sollte man sich auch nicht an deren Trainingsgewichten, Trainingsvolumen und vor allem nicht an ihren Fortschritten orientieren. Das ist unrealistisch wenn man sauber trainiert, was man unbedingt tun sollte. Nur wer die Finger von Anabolika lässt, wird dauerhaft erfolgreich sein und seinem Körper etwas Gutes tun.
2.Viele Bodybuilder lehnen HIT mit der Begründung ab, es belaste den Körper zu stark, und verweisen dabei auf die Krankengeschichte von Dorian Yates. Ist HIT tatsächlich verletzungsträchtiger?
Wenn man HIT mit langsamer Kadenz ausführt, wenn man sich also jeweils drei bis vier Sekunden für den positiven und negativen Teil der Wiederholung Zeit nimmt, ist das zwar anstrengend für den Muskel, aber wenig belastend. Dorian Yates hat ja gerade das nicht getan. Er hat ganz im Gegenteil sehr explosiv trainiert.
Ich glaube, dass explosives Training generell ein höheres Verletzungsrisiko birgt als das langsame Training, bei dem man ja auch die Gewichte reduzieren muss, was das Verletzungsrisiko zusätzlich senkt. Es ist ein verbreitetes Missverständnis, dass beim HIT sehr hohe Gewichte genommen werden müssen. Wenn man sauber und langsam trainiert, muss man die üblichen Gewichte sogar reduzieren, um ohne Schwung das Gewicht zu bewegen. Auf diese Weise stellt man aber sicher, dass das Gewicht nicht hochgeschwungen werden kann und der betreffende Muskel die ganze Arbeit leisten muss. Und das ist ja auch das Ziel des Trainings.
3.Können kleinere Muskelgruppen wie Oberarme zwei Mal die Woche trainiert werden?
Dabei stellt sich die Frage, wie man „trainieren“ definiert. Man darf eines nicht vergessen: Bei vielen Übungen trainiert man die kleineren Muskelgruppen zwangsläufig mit. Die Arme und Schultern sind ohnehin fast immer mit dabei. Wenn man ein Ganzkörpertraining macht und alle Muskeln zweimal pro Woche beansprucht, führt es in den seltensten Fällen zum Übertraining, aber wieviel Training man toleriert, ist eine individuelle Sache. Generell muss man beachten, dass man nicht Montags „Brust“, Dienstags „Schultern“ und Mittwochs „Trizeps“ jeweils isoliert trainieren kann. Schultern und Trizeps werden dabei an allen drei Tagen beansprucht.
4. Aber wenn man sie gezielt, sagen wir im Abstand von drei oder vier Tagen, intensiv trainiert? Favorisieren sie dann Verbundübungen?
Ich bin aus zwei Gründen ein großer Anhänger von Verbundübungen: Zum einen, weil dadurch viele Muskeln zugleich angesprochen werden, und weil die Bewegungen natürlich sind. Früher sprach man von „Muskelschlingen“, die zusammen trainiert werden sollten, also Muskeln, die gemeinsam an einer natürlichen Bewegung (wie Klimmzügen, Dips oder Kniebeugen) beteiligt sind. Es spricht vieles dafür, dass solche Bewegungen den sog. „Isolationsübungen“ vorzuziehen sind, wobei es aber auch hier wieder darauf ankommt, welches Trainingsziel man verfolgt.
5. Mike Mentzer bevorzugte das Training an Maschinen. Wozu raten Sie?
Jeder Mensch ist ein Unikat und muss das für sich selbst herausfinden. Nach meiner Ansicht ist der Spaß am Training eine Voraussetzung für den Erfolg. Deshalb würde ich auch nie vom Training an Maschinen abraten, wenn jemand sich damit wohler fühlt als mit freien Gewichten.
Freie Gewichte haben den Vorteil, dass die Koordination mittrainiert wird, wovon vermutlich auch stabilisierende Muskeln profitieren, während Maschinen den Vorteil bieten, dass man auch ohne Trainingspartner bis zum Punkt des momentanen Muskelversagens trainieren kann.
6. Welchen Wiederholungsbereich würden Sie anraten, um maximalen Muskelaufbau zu erzeugen. Das Heavy Duty System sieht zwischen 6 und 10 vor. Was sagen Sie?
Laut Studien ist die genaue Wiederholungszahl weniger wichtig als die Intensität und die Dauer der Belastung, sofern man im „Hypertrophiebereich“ bleibt und da sind 6 bis 10 Wiederholungen ein guter Richtwert, aber nicht besser oder schlechter als z.B. 8-12 Wiederholungen. Hauptsache ist, dass man bis zum jeweiligen Wiederholungsmaximum geht und noch ein Bisschen darüber hinaus.
7. Weshalb sollen langsame Wiederholungen effektiver sein?
Zur Belastungsdauer, der sogenannten „time under tension“, führen wir gerade Untersuchungen durch. Sie scheint eine Rolle zu spielen. Aber mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Aber dass der Muskel länger und damit wahrscheinlich auch effektiver trainiert wird, wenn Schwungkräfte ausgeschlossen werden, dass liegt auf der Hand, weil bei langsamer Ausführung nicht mit Schwung gearbeitet werden kann und dann tatsächlich der Muskel selbst die ganze Arbeit leisten muss.
8. Ist Muskelzuwachs trotz Kaloriendefizit möglich, solange man nur genug Eiweiß zu sich nimmt?
Ja. Darüber gibt es mehrere verlässliche Studien. Der Körper nimmt sich die Energie in dem Fall aus den Fettreserven und verwendet das Eiweiß für den Aufbau.
9. Welche Supplemente sind in der Aufbau-, welche in der Definitionsphase ratsam?
Ich gebe keine Empfehlungen ab. Ob Supplemente wirklich erforderlich sind, hängt von der jeweiligen Ernährungssituation und den –gewohnheiten ab. Bei ausgewogener und bedarfsangepasster Ernährung sind sie unnötig. Wichtiger ist definitiv eine ausgewogene gesunde Ernährung. Wer Supplemente nimmt, sollte sich an den Grundsatz halten, dass Nahrungsergänzungen, auch nur als genau das eingesetzt werden sollten, nämlich als Ergänzungen und nicht als Grundlage der Ernährung.
10. Ist Muskelaufbau auch im Wiederholungsbereich der Maximalkraft und Kraftausdauer möglich?
Ja, mit Einschränkungen. Im Wiederholungsbereich der Kraftausdauer ist dies mehr der Fall, weil dabei die Anspannungsdauer länger ist als beim Maximalkrafttraining, das mit 1-3 explosiven Wiederholungen nicht die notwendige Spannungsdauer erreicht.
11. Warum sollte für Muskelaufbau primär im Hypertrophiebereich trainiert werden?
Das erklärt sich ja schon aus der Sache heraus. Man spricht ja deshalb von „Hypertrophiebereich“, weil in diesem Bereich die größten Muskelzuwächse zu verzeichnen sind.
12. Mit welcher Trainingserfahrung ist Ihrer Meinung nach HIT einsetzbar?
Schon Anfänger können intensiv trainieren, d.h. das Wiederholungsmaximum ausschöpfen. Es gibt keinen Grund, warum ein Anfänger, der 25 Liegestützen schafft, nach 19 Liegenstützen aufhören sollte. Wenn er die 25 macht, die er schafft, hat er intensiv trainiert, aber seinem Körper bestimmt nicht Übertriebenes zugemutet. Ich empfehle den Wechsel zum HIT, wenn das erste Plateau erreicht ist.
13. Ist HIT eine dauerhaft erfolgreiche Methode zum Muskelaufbau?
Ich kenne Athleten, die ausschließlich mit HIT trainieren und damit gute Erfolge erzielen. Ich selbst wechsle zum Volumentraining, wenn ich merke, dass ich die Intensität nicht mehr aufbringen kann.
Die meisten Athleten dürften von einer Abwechslung oder sogar Periodisierung mehr profitieren als wenn im Training jahrein/jahraus das Selbe gemacht wird. Manche Sportler sagen aber auch zu Recht: „Ich mache mit dem HIT Fortschritte ohne Ende. Warum sollte ich also wechseln?“
14. Haben Sie einen Vergleich zwischen dem neuen Trainingssystem namens PITT Force und HIT führen können?
Dazu gibt es meines Wissens noch keine Studien, aber ein Intervalltraining, bei dem man nicht alle Wiederholungen ohne Pause direkt nacheinander macht, wird im Bodybuilding seit vielen Jahren eingesetzt und bietet nach meiner Ansicht eine gute Möglichkeit, Muskeln überschwellig zu belasten und Wachstumsreize zu setzen. Eine derzeit laufende Studie zum Intervalltraining wird Anfang des nächsten Jahres beendet sein und hat bereits vielversprechende Ergebnisse gezeigt.
15. Kann jeder Muskel mit dem HIT-System trainiert werden oder gibt es muskuläre Ausnahmen? Ich beziehe mich hierbei auf die immer wieder aufkommende Diskussion, dass vor allem Waden und Bauch mit hohen Wiederholungszahlen trainiert werden müssten.
Ein Muskel sollte auch immer wie ein Muskel trainiert werden. Die physiologischen Prinzipien sind immer die gleichen, egal ob es die Bauch- oder die Brustmuskulatur ist. Höhere Wiederholungszahlen können eventuell deshalb beim Bauchtraining erfolgreich sein, weil sich in diesen Muskelgruppen viele rote Muskelfaser befinden, die auf eine längere „time under tension“ gut ansprechen.
16. Mike Mentzers Heavy Duty bezog sich auf den Ansatz, dass primär die Kraft gesteigert werden müsste, um Muskeln aufzubauen („Mehr Kraft gleich mehr Muskelmasse“). Ist dieser Ansatz noch aktuell und überhaupt richtig?
Der Zusammenhang stimmt. Der Körper arbeitet sehr ökonomisch. Neue Muskelmasse baut er erst dann auf, wenn es nicht mehr anders geht. Vorher versucht er zunächst die vorhandenen Ressourcen optimal auszuschöpfen. Zunächst wird also die muskuläre Koordination verbessert bevor es zu einem Muskelwachstum kommt. Wenn man dann den Muskel weiterhin überschwellig reizt, also trainiert, kommt es zum Muskelaufbau. Man geht davon aus, dass spätestens nach 16 bis 20 Trainingseinheiten die Koordinationsgewinne ausgeschöpft sind und es dann zur Muskelhypertrophie kommt.
An dieser Stelle meinen Dank an Prof. Dr. Dr. Jürgen Gießing für dieses aufschlussreiche Interview. Ich danke auch meinem Blog-Coautoren Nico Nissen für die Abwicklung des Interviews.
Ich freue mich über Fragen, Anregungen oder Kritik. Einfach unten ins Kommentarfeld deine Meinung dazu schreiben. Wie hat die das Interview beispielsweise gefallen? Welche Dinge wirst du nun in deinem Training ändern?
Sport frei
Thomas
1 Tipp gegen Bauchfett
Ich hatte Bauchfett, bis ich diesen einmaligen Tipp entdeckte
Du wirst erstaunt sein, wie einfach und schnell du einen flachen Bauch oder Sixpack bekommen kannst, ohne stundenlanges Training, ohne Pillen und ohne Bauchübungen.